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 A14 - Mach 1 für Steve Warson

Protagonisten
Antagonisten
Michel Vaillant
Steve Warson
Chuck Danver
Helen Danver
Leader
Leader-Biker
Nancy Danver
Frankie
Mit Mach 1 für Steve Warson wurde die Länge der Vaillant-Alben von 62 auf 44 Seiten reduziert. Dem jungen Comic-Leser der späten 60er, mit schnell konsumierbaren Fernsehserien aufgewachsen, dauerte der Magazin-Abdruck eines 62-Seiten-Albums, der in der Regel mehr als ein halbes Jahr in Anspruch nahm, zu lange. Durch die Reduzierung des Seitenumfangs konnte die Zeit für den Vorabdruck in Tintin auf ca. 4 1/2 Monate verkürzt werden. (In den 70ern wurde die Zeit nochmals auf ca. 2 1/2 Monate reduziert, indem pro Episode mehr Seiten abgedruckt wurden.) Um die Geschichten "lesbarer" zu machen, wurde außerdem die Anzahl der Bilder pro Seite verringert.

In inhaltlicher Hinsicht markiert Band 14 eine entscheidende Zäsur. Mit dem dämonischen Leader, stilvoll ins schwarze Cape gekleidet, etablierte Graton einen Superschurken, dessen Wirken die Serie bis heute prägt. Mit der Einführung des Leader, der hier in der Nähe von Bonneville in einer unterirdischen Kommandozentrale residiert, überahm Graton ein dramaturgisches Hilfsmittel, das sich bei vielen Comic-Szenaristen großer Beliebtheit erfreut. Der Superschurke ermöglicht es dem Texter, eine konfliktreiche Handlung aufzubauen, ohne den jeweiligen Gegner des Helden ständig neu charakterisieren und motivieren zu müssen. Als anerkannter Dauerfeind der Vaillants wurde der Leader dieser Anforderung bestens gerecht und setzte Vaillant und Warson in mehreren Alben übelst zu (siehe A15 - Der Teufelskreis, A17 - Das Phantom von Le Mans, A21 - Gnadenloser, A22 - 23.000 Kilometer durch die Hölle). Nach seinem Tod trat seine Tochter Ruth auf den Plan (ab A34 - K.O. für Steve Warson).

Wie jeder ordentliche Superschurke will auch der Leader nichts weniger als die Weltherrschaft - in diesem Fall die Weltherrschaft über die Automobilmärkte. Mit dem asiatisch geprägten Konzernlenker schien Graton hellsichtig die "gelbe Gefahr" vorwegzunehmen, die ab den 70er Jahren die westlichen Automärkte attackierte. Dass sich in der Leader-Figur auch zeittypische Ressentiments gegenüber dem "bedrohlich" fremdartigen Asiaten ausdrücken, ist zwar nicht ganz von der Hand zu weisen, steht bei der Geschichte aber nicht im Vordergrund.

Mit Mach 1 für Steve Warson legte Graton eines der besten Vaillant-Alben vor. In packender Weise nimmt das Album auf die damals aktuellen Rekordfahrten in Bonneville Bezug nahm. Zwischen 1963 und 1965 schraubte Craig Breedlove mit seinem Spirit of America den Geschwindigkeitsweltrekord von 400 auf 600 Meilen pro Stunde hoch. Erst am 15. Oktober 1997 allerdings, also 30 Jahre nach Steve, durchbrach Andy Green mit dem Great Britain tatsächlich die Schallmauer.

Die Geschichte von Mach 1 für Steve Warson wird von Graton schnell und plausibel entwickelt, der Schauplatz (Salzsee) und das Thema des Plots sind ungewöhnlich und interessant. Und die phantastischen Designs der fiktiven Überschallboliden - des Sonic Bird und des World Leader - begeistern mehr denn je. Darüber hinaus präsentiert uns Graton in Mach 1 für Steve Warson eine geradezu verschwenderische Menge cooler Leader-Designs - vermutlich hat sich Wagenzeichner Christian Denayer hier besondere Verdienste erworben.

Die Jagd auf den Mach-1-Rekord und die gefährliche Präsenz des Leaders sorgen für eine Hochspannung, die in der brillant ausgeführten Sonic-Bird-Sequenz spektakulär zugespitzt wird (ab Seite 28). Das dynamische Seitenlayout mit seinen ständig wechselnden Perspektiven, die parallel montierten Rekordfahrten der beiden Superboliden, die in mörderischer Weise aufeinander zu rasen - Graton setzt virtuos filmische Stilmittel ein, um eine maximale Wirkung zu erzeugen, und erweist sich als erstklassiger Comic-"Regisseur".

Interessanterweise darf nicht Vaillant, sondern Warson den Sonic Bird steuern und sich damit als echter Held beweisen. Von der ersten bis zur letzten Seite ist dies eine Steve-Warson-Geschichte, in der Vaillant nur als eine Art Sidekick auftritt - er erscheint überraschenderweise erst auf Seite 18 und tut dann wenig mehr als Steve zu assistieren.

Warsons Qualitäten als magnetisch attraktiver Frauenschwarm wurden in diesem Album erstmals besonders hervorgehoben - eine Entwicklung, die sich in den Folgejahren noch erheblich verstärkte. Warsons Mutation zum unwiderstehlichen Pistenhengst deutet darauf hin, dass das zunächst prüde Rennfahrer-Epos ab den späten 60ern bewusst modernisiert wurde, um es den modernen, liberaleren Zeiten anzupassen.

Frankie und seine Gang erinnern stark an die Motorradrocker im Marlon-Brando-Klassiker The Wild One von 1954, die eine spießige Kleinstadt terrorisieren. Immerhin wechselt Frankie am Schluss des Albums zur hellen Seite der Macht und verspricht sogar einen Friseurbesuch!

Mit Mach 1 für Steve Warson begann Graton am 17. Januar 1967 ein exzellentes Vaillant-Jahr, in dem er fast 100 Seiten publizierte. In diesem Jahr starteten in Tintin drei neue (und dazu hervorragende) Vaillant-Geschichten: A14 - Mach 1 für Steve Warson, A15 - Der Teufelskreis und A16 - Kilometerstein 357 (die ersten zwei Seiten von A15 nehmen unmittelbar Bezug auf die Geschehnisse von Band 14).

Die Magazinveröffentlichung von Mach 1 für Steve Warson wurde im belgischen Tintin in den Heften 51/1966 (20.12) und 1/1967 (3.1.) angekündigt.

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